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YSP – Moderne Kunst in historischer Landschaft

Black and Blue by Zak Ové

Wer moderne Kunst buchstäblich erwandern möchte, der ist im Yorkshire Sculpture Park bestens aufgehoben. Inmitten einer großen, im 18. Jahrhundert angelegten Parkanlage, laden Werke internationaler Künstler unter freiem Himmel zur Erkundung ein. Kunst-Liebhaber und solche, die es vielleicht noch werden wollen, können sich den modernen Werken frei und ungezwungen nähern und diese Erfahrung mit einem Ausflug in die Natur verbinden.

Im meinen vorherigen Artikel hatte ich bereits von meinem Besuch im Yorkshire Sculpture Park  (YSP) berichtet (siehe hier).  Im Folgenden möchte ich nun einige Exponate vorstellen, die mir besonders gefallen haben. Große Hilfe war mir dabei das Besucherhandbuch ‚The essential guide to works in the open air 2017‘, das ich bei meinem Besuch erworben habe, sowie die Recherche im Internet.

 

Jaume Plensa – Wilsis

Wilsis by Jaume Plensa

Wilsis by Jaume Plensa

In seiner Arbeit beschäftigt sich Jaume Plensa mit Komplexitäten und Widersprüchen in der menschlichen Verfassung, dem geistigen und körperlichen Zustand. Dabei konzentrierte er sich in den letzten Jahren auf die menschlichen Bedürfnisse der inneren Reflexion und eines stillen Rückzugsortes inmitten einer immer chaotischer und lauter werdenden Welt.

Wilsis by Jaume Plensa

Wilsis by Jaume Plensa

Wilsis gehört zu einer Serie von Portraitköpfen. Sie stellen junge Frauen aus den verschiedensten Teilen der Welt dar, die ihre Augen geschlossen halten, in einem traumähnlichen Zustand der inneren Einkehr. Durch die Größe des Werkes von über sieben Metern wandelt sich das Gewöhnliche in etwas Außergewöhnliches. Damit will Plensa seinen Glauben verdeutlichen, dass alle menschliche Wesen das Potential haben außergewöhnlich zu sein, unabhängig vom Herkunft und Stellung.

Wilsis by Jaume Plensa

Wilsis by Jaume Plensa

Während der Kopf von der Seite betrachtet eine realistische Formen zu haben scheint, wird bei einer weiteren Erkundung um die Skulptur herum, eine deutliche Verflachung der Perspektive sichtbar. Diese Idee entstand aus dem Wunsch zu verstehen, was auf der anderen Seite passiert. Wie sieht die Rückseite von Dingen aus, deren Ansicht uns vertraut ist?

 

Jaume Plensa – Wonderland

Wonderland by Jaume Plensa (Quelle: https://ysp.org.uk/openair/wonderland)

Mit seiner Arbeit Wonderland, einer Eisentür, will Plensa deutlich machen, dass das was wir sehen nur ein Teil der Erfahrung ist. Eine Tür, so wie in Wonderland, stellt eine Person im gegenwärtigen Moment dar, jemand der vor einer Tür steht und dabei ist, diese zu durchschreiten. Auf der anderen Seite, ungesehen, ist die Zukunft, dabei enthüllt zu werden, und was hinter ihr liegt, ist die Vergangenheit der Person. Die Tür ist eine Zeitschwelle mit einem ihr eigenen Vermögen zur Offenbarung; es eröffnen sich ganze Reiche neuer Erfahrungen.

 

Black and Blue by Zak Ové

Black and Blue: The Invisible Man and the Masque of Blackness by Zake Ové

Die 80 identischen Skulpturen schaffen eine markante Aussage; mächtig und totemgleich, blickt die Gruppe nach vorne und konfrontiert den Besucher en masse. Ové’s Bestreben ist es,  verlorene Kulturen wieder zu beleben und neu zu interpretieren.

Black and Blue by Zak Ové

Black and Blue: The Invisible Man and the Masque of Blackness by Zake Ové

Dabei nutzt er Materialien aus der Neuen Welt, während er gleichzeitig der spirituellen und künstlerischen, afrikanischen Identität Tribut zollt. In seiner praktischen Arbeit erschließt Ové unterschiedliche Wege afrikanische Formen darzustellen. Bei seinem Werk im Yorkshire Sculpture Park ersetzt er Ebenholz durch Graphit. Vorlage war eine kleine Holzfigur, die er von seinem Vater als Kind geschenkt bekam. Wenngleich die Geste von der traditionellen Vorlage repliziert wurde, referieren die erhobenen Hände zum Black Lives Matter Protestbewegung und sollen mit ihr im Einklang sein.

Black and Blue by Zak Ové

Black and Blue: The Invisible Man and the Masque of Blackness by Zake Ové

Ursprünglich bestand das Projekt aus 40 Figuren, die im Innenhof des Somerset Houses in London für die 1:54 Contemporary African Art Fair ausgestellt wurden. Es war Zak Ové’s Stellungnahme zu Ben Johnson’s ‚The Masque of Blackness’; ein Theaterstück über den Trend in der Gesellschaft zur helleren Hautfarbe, der von Anne of Denmark und ihrem Hofe am Somerset House in 1605 initiiert wurde. Des Weiteren verweist Ové mit seiner Bezeichnung auf das anerkannte Buch ‚The Invisible Man’ mit dem der Autor Ralph Elison Aspekte des Rassismus und Randgruppen in der Gesellschaft aus der Sicht seines schwarzen Protagonisten, erzählt und untersucht.

 

Ai Weiwei – Circle of Animals / Zodiac Heads

Circle of Animals / Zodiac Heads by Ai Weiwei

Circle of Animals / Zodiac Heads by Ai Weiwei (Details)

Inspiration für sein Werk Circle of Animals / Zodiac Heads waren die die traditionellen, chinesischen Tierkreiszeichen darstellende 12 bronzenen Köpfe, die einst die berühmte Springbrunnenuhr in den Gärten des Alten Sommerpalastes in Beijing zierten. In seiner Interpretation im weiteren Sinne weist Ai Weiwei auf die politische Handhabe von Besitz, kultureller Geschichte, Rückführung und Authentizität hin und möchte zu einer Debatte anregen. Gleichzeitig soll das Werk nicht monumental wirken, sondern eher spaßhaft. Da jeder Mensch eine Verbindung zum Tierkreis hat, ist es Ai Weiwei’s Wunsch, dass Menschen sich angesprochen fühlen, oder es unterschiedlich interpretieren.

Circle of Animals / Zodiac Heads by Ai Weiwei Circle of Animals / Zodiac Heads by Ai Weiwei Circle of Animals / Zodiac Heads by Ai Weiwei Circle of Animals / Zodiac Heads by Ai Weiwei

Circle of Animals / Zodiac ist seit Mai 2011 weltweit auf Tour. Die Installation wurde von Millionen von Menschen in Europa, Asien und Amerika auf Ausstellungen oder per digitaler Medien betrachtet. Es ist damit eines der am meisten betrachteten Skulpturen-Werke in der Geschichte der modernen Kunst.

Ai Weiwei – Iron Tree

Iron Tree by Ai Weiwei

Iron Tree by Ai Weiwei

Die Idee für seine Baumserie fand Weiwei bei Straßenhändlern in Süd-China, die Holz verkauften. Iron Tree, das bisher größte Exemplar aus der Serie, besteht aus 97 eisernen Baum-Elementen, die alle mit einer chinesischen Methode ineinandergreifend verbunden sind. Der Iron Tree steht für Ai Weiwei’s Interesse an Fragmenten und die Bedeutung eines Einzelnen, ohne die die Welt nicht existieren würde.

 

Sir Anthony Caro – Promenade

Promenade by Anthony Caro

Promenade by Anthony Caro

Mit einer Abkehr von der bis dato üblichen Darstellung von Skulpturen auf Sockeln, durchbrach Caro als erster Künstler die Tradition und stellte 1959 in einer Ausstellung seine Skulpturen direkt auf den Boden. Durch diese einfache Handlung hat er die Beziehung zwischen Skulptur und Betrachter signifikant verändert. Promenade wurde von ihm für die Tuileries Gärten in Paris kreiert.

Promenade by Anthony Caro

Promenade by Anthony Caro

Namensgebend ist die historische Manier öffentliche Plätze aufzusuchen und dort zu schlendern, mit dem Hintergrund Mitmenschen zu treffen oder von ihnen gesehen zu werden. Anstatt für sich alleine zu stehen, lädt Promenade zur Interaktion ein, visuell und physikalisch.

 

Tony Cragg – Caldera

Caldera by Tony Cragg

Caldera by Tony Cragg

Das Bretton Estate ist der ideale Ausstellungsort für Cragg’s Werke, denn der Künstler untersucht mit seiner Arbeit die Beziehung zwischen Natur und dem, was von Menschenhand geschaffen wurde. So stellt er beispielsweise die Frage, warum ein Vogelnest immer als natürlich empfunden wird, ein Haus hingegen nicht. Die Landschaft des Bretton Estate scheint natürlich, doch tatsächlich wurde ein Großteil im 18. Jahrhundert entworfen und angelegt, inklusive per Hand ausgegrabener Seen und angehäufter Hügel.

Caldera ist ein geologischer Ausdruck für eine vulkanische Krater-Art. Seine Skulptur erhielt die Bezeichnung aufgrund der schichtartigen Oberfläche und dem Hohlraum in der Skulptur. Dieser lässt sich bei einer Gesamtgröße der Skulptur von fünf Metern leicht inspizieren und gibt die seltene Gelegenheit ein Werk von innen zu erfahren.

Caldera by Tony Cragg

Caldera by Tony Cragg

 

Mikayal Ohanjanyan – Diario

Diario by Mikayel Ohanjanyan

Diario by Mikayel Ohanjanyan

Die Arbeit von Mikayal Obanjanyan basiert auf seinem Interesse an der Menschheit, insbesondere an der Einzigartigkeit jedes Einzelnen und den Beziehungen, die wir untereinander haben. Inspiriert durch unsere innere und äußere Welten, überträgt der Künstler seine Beobachtungen durch den vorsichtigen Gebrauch von Gegensätzen; der Kontrast von Licht und luftigen Räumlichkeiten mit dunklen Formen.

Diario ist ein zentrales Beispiel für Obanjanyan’s Interesse an menschlichen Verbindungen. Auf einem übergroßem Eisentisch liegen Marmorblöcke, die scheinbar mit einem Stahlkabel stranguliert werden. Die Oberfläche der Marmors bricht und enthüllt flüchtige Blicke in das Innere. Bei genauerer Betrachtung sind – versteckt in den Brüchen – Inschriften zu erkennen. Sie sind eine Auflistung aller Menschen, die der Künstler in seinem Leben getroffen hat.

Diario by Mikayel Ohanjanyan

Diario by Mikayel Ohanjanyan (Detail)

Mit seinem Werk versucht Mikayal Obanjanyan die Aufmerksamkeit auf den inhärenten Wert von Leben und Menschheit zu lenken, sowie auf die Bedeutung jeder einzelnen Person, jede Begegnung, die passiert und jeden Konflikt, den wir haben. Es ist eine Form des Selbstporträts und reflektiert den einzigartigen Wert eines jeden Menschen in unserem Leben, einschließlich derer, die wir vielleicht nur flüchtig am Wegesrand treffen.

 

Fotografische Auswahl weiterer ausgestellter Werke

Six Mourners and The One Alone by Amar Kanwar

Six Mourners and The One Alone by Amar Kanwar

 

Upright Motives by Henry Moore

Upright Motive No. 1 (Glenkiln Cross); No, 2; No, 7 by Henry Moore

 

People 15 by Julian Opie

People 15 by Julian Opie

 

One and Other by Antony Gormley

One and Other by Antony Gormley

 

Riace Figures by Elisabeth Frink

Riace Figures by Elisabeth Frink

 

Night and Day (and Octopus) by Marialuisa Tadei

Night and Day (and Octopus) by Marialuisa Tadei

 

Tommy by Tony Cragg

Tommy by Tony Cragg

 

Large Horse by William Turnbull

Large Horse by William Turnbull

 

Visitor Centre Yorkshire Sculpture Park

Visitor Centre Yorkshire Sculpture Park

 

Network by Thomas J. Price

Network by Thomas J. Price

Schaut euch auch gerne den Beitrag über meinen Besuch im Yorkshire Sculpture Park mit jeder Menge weiterer Fotos an: Yorkshire Sculpture Park: Kunst unter freiem Himmel

Adresse: Yorkshire Sculpture Park, West Bretton, Wakefield WF4 4LG, https://ysp.org.uk/

Öffnungszeiten: täglich 10.00 – 17.00 Uhr (Galerien sowie Restaurant und Café bis 16.00 Uhr) außer am 24. & 25.12.

Eintritt: Frei – Für das Parken eine Gebühr erhoben. Bitte bedenkt, dass Organisationen wie der Yorkshire Sculpture Park immer scharf an der finanziellen Verlustgrenze arbeiten. Um auch weiterhin freien Eintritt bieten zu können, ist der Park auf die Einnahmen der Parkgebühren angewiesen. Bitte unterstützt dieses Vorhaben indem ihr vielleicht auch ein Besucherheft kauft. So könnt ihr dann auch noch Wochen später nachschauen, welche Werke ihr gesehen habt.

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