St. Ives, Cornwall – Silvester mit Ramba Zamba:
Bereits vor zwei Jahren hatten wir Silvester in St. Ives verbracht. Anders als beim letzten Mal waren wir diesmal allerdings vorbereitet und wussten, welche Party uns erwartet. Gefühlt halb Cornwall macht sich nämlich am letzten Abend des Jahres auf den Weg nach Penwith (westlichste Halbinsel Englands, der letzte Zipfel quasi). Und das verkleidet! Von professionellen Roben, die ein Filmset gleich um die Ecke vermuten lassen, über zahlreiche, selbstgebastelte Phantasiekostüme bis hin zu ortsversetzter Trachtenkleidung; alles trifft sich in den Gassen von St. Ives. Witzig sind auch die Gruppenkostümierungen. So begegnete uns beispielsweise eine komplette Flugzeug-Crew, die mit einem Getränkewagen gute Laune verteilte. Oder ein Maler, der mit seinen „Gemälden“ durch die Strasse zog.
Nur wenige wagen sich in Alltagskleidung unter die Feiernden. Ich kann mich noch gut an das Gefühl erinnern, als wir vor zwei Jahren völlig unvorbereitet auf dieses Faschingstreiben trafen und uns im Pub spaßhaft angedroht wurde, dass Doppelte für unser Bier bezahlen zu müssen, weil wir nicht verkleidet waren. Fast verlegen und langweilig fühlten wir uns. Also beschlossen wir, dieses Mal nicht aufzufallen und uns ebenfalls eine Kostümierung zuzulegen.
Nun sind wir beide nicht so die Verkleidungskünstler und haben keinerlei Kostüme auf Vorrat. Jim’s Wahl war einfach: bayrische Lederhosen. Wir planten einen Besuch des Oktoberfests und hatten bereits die passenden Kleidung besorgt. Mein Dirndl hing jedoch in Deutschland, und so musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Der Besuch eines Christmas Panto in Dublin über Weihnachten war der Ideengeber, und so waren wir beide für unseren Auftritt gewappnet. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass wir nicht so einfallsreich waren wie zuerst gedacht. Wenn auch echt bayrische Büxen an 364 Tagen im Jahr in Cornwall sicher ein Anblick mit Seltenheitswert sind, trafen wir am Silvesterabend gleich auf fünf weitere „Bayer“ in Lederhosen und Dirndl. Aber auch Pantomimen waren in größerer Anzahl unterwegs. Ich war wohl nicht die einzige, die meinte, mit Hosenträgern, Ringelshirt, Baskenmütze und ein wenig weißer Schminke im Gesicht sei schnell ein Outfit geschaffen.
Neben der Kleidung waren wir auch übernachtungstechnisch bestens aufgestellt. Wir hatten das Glück, das letzte freie Zimmer im Queens Hotel – eines unserer Lieblings-Pubs in Cornwall – in der Stadt ergattert zu haben. Wir waren somit nicht nur inmitten des Geschehens, sondern wir konnten zwischendurch immer mal Station machen, um uns neu aufzustellen. Und es wird keine Zeit verdaddelt beim ewig-andauerndem Anstellen für den Toilettengang. Wir waren also optimal stationiert und ausgestattet. Der Abend konnte beginnen.
Der Ablauf des Silvester-Abends in St. Ives ist quasi vorgegeben:
Bereits am frühen Abend beginnen die ersten Silvestergäste einzutrudeln und die Gassen zu füllen. Es wird gegessen, es wird getrunken, und es wird promeniert. Im Prinzip laufen alle den ganzen Abend im Kreis.
Dabei folgt der Mainstream folgender Strecke (die ich mit Hilfe von Scribble Maps visualisiert habe): Die Fore Street hinunter bis zum Hafen und ein Stückchen weiter bis zum Sloop Inn (ich glaube, dies ist der einzige Tag im Jahr, an dem keine Tische und Stühle draußen stehen 😀). Auf halber Strecke haben wir an dieser Stelle des Öfteren pausiert und Posten bezogen, um das Treiben zu beobachten. Ein wunderbarer Spaß. Weiter geht es dann auf der Rückstrecke diesmal auf der Wharfe Road am Hafenrand entlang bis hin zur Lifeboat Station. Der Kreis schließt sich knapp hundert Meter weiter rechts hoch an der Ecke, wo die Fore Street beginnt. Und auf geht es in die nächste Runde!
Dabei wird gelacht, Sprüche und Komplimente werden ausgetauscht, Kostüme fröhlich kommentiert, miteinander angestoßen, und mit steigendem Pegel wird die Stimmung immer ausgelassener und lauter.
Wir haben festgestellt, dass der ideale Ablauf des Abends für uns gegen 19 Uhr beginnt. Dann sind schon so einige Leute unterwegs, und es gibt bereits jede Menge zu sehen. Einfach sich für eine Richtung entscheiden und in die Karawane einreihen. Ab und zu stehen bleiben und so alle an sich vorbeiziehen lassen. Auf diese Weise verpasst man kaum jemanden. Es gibt so herrlich viel zu sehen. Gegen 21.30 Uhr sind wir dann essen gegangen. Aber Obacht: Nicht nur alle Hotels, sondern auch alle Restaurants sind restlos bis auf den letzten Stuhl tagelang vorher komplett ausgebucht. Wer also keinen Tisch rechtzeitig reserviert hat, wird ein Nachsehen haben. So wie wir…
Vor zwei Jahren hatten wir das Glück gehabt, dass (wohl kurzfristig ein Tisch freigeworden war und) wir am Vorabend noch Plätze reservieren konnten. Etwas zu übermütig nahmen wir an, dass dieses Glück uns auch dieses Mal hold sein würde. Als wir jedoch am Vorabend bei einem Rundgang sämtliche Restaurants abklapperten, wurde unsere Anfrage nur mit – teils mitleidigem, teils verständnislosem – Kopfschütteln beantwortet. Wir hatten uns somit auf Cornish Pasty eingestellt, was – wie wir im Nachhinein feststellen mussten – auch tatsächlich die bessere Wahl gewesen wäre. Stattdessen fanden wir einen freien Tisch in einer Pizzeria und aßen labberige Pizzen. Wehmütig dachten wir an das Firehouse zurück, wo wir vor zwei Jahren (und weitere Male) großartig aßen. So sehr ich auch auf Gastro Pub Küche stehe, aber an einem Silvesterabend mitten in diesem Trubel, wo eigentlich andere Dinge im Vordergrund stehen, ist ein gutes Steak unschlagbar. Und wenn die Steaks so gut zubereitet werden, wie es im Firehouse der Fall ist, dann ist es fast alternativlos.
Nun denn, die Pizzen erfüllten zumindest den Zweck, gestärkt zu sein, und so konnten wir wieder ins Geschehen eingreifen.
Gegen 23.30 Uhr bahnten wir unseren Weg zum Hafen, im Gepäck eine Flasche Sekt, die Jim schnell aus unserem Hotelzimmer holte. Und nein, kein Champagner. (Guter) Sekt reicht uns völlig. Jim sowieso und mir auch. Wenn ich den ganzen Abend über schon „vorgeglüht“ habe und auch noch was gegessen habe, dann mag ich eigentlich keinen Alkohol mehr trinken, und das Glas Sekt um zwölf ist für mich quasi nur noch Pflichtprogramm. Ich gebe zu, manchmal denke ich auch, wie langweilig … Allerdings denke ich das nicht mehr, wenn ich am nächsten Morgen früh und frisch aufwache und in den Tag starte voller Freude, dass es mir gut geht.
Mit der erwähnten Flasche Sekt und zwei Gläsern fanden wir ein Plätzchen an der Hafenumrandung, ready for the countdown. Die Zeit dazwischen vertrieben wir uns mit Schwätzchen nach links und nach rechts. Die einen kamen aus Truro, die nächsten aus London, und irgendwann fragten wir uns: Ist eigentlich auch jemand aus St Ives im Getümmel? Aber wahrscheinlich hatten die sich bereits in Ihre Häuser zurückgezogen, um das Spektakel von dort zu beobachten.
Wie immer – ohne einen offiziellen Countdown oder Big Ben, der die Zeit vorgibt – macht sich gegen zwölf mit Raunen Unsicherheit breit, wessen Uhr denn nun auch richtig geht, und ob es denn schon so weit ist oder doch noch nicht. In unserem Falle erklang plötzlich hinter uns aus der Bar Balcony Kitchen das Lied Auld lang Syne und nahm uns die Entscheidung ab.
Und noch etwas gefiel mir an dem Abend in St. Ives. Das Feuerwerk begann erst um fünf nach zwölf. Anderswo arbeitet man sich gemächlich, manchmal auch träge und müde, die Zwölf-Uhr-Marke herbeisehnend, durch den Abend. Bis plötzlich – wenn man denn erst einmal entschieden hat, dass es zwölf Uhr ist – alles auf einmal passiert. Ein ähnlich gesittetes Vorgehen wie in St. Ives kenne ich sonst nur aus Palma de Mallorca. Dort beginnt das offizielle Feuerwerk sogar erst um 0.30h. Zeit genug sich zu umarmen, anzustoßen und zu sammeln (und im Falle Mallorcas die Weintrauben zu verarbeiten, während man vom Rathausmarkt zum Hafen hinunter geht).
Nachdem das Feuerwerk, das von vielen „ahs“ und „ohs“ begleitet wurde, beendet war, stießen wir dann ein weiteres Mal an und tranken unsere Gläser aus. Den Rest in der Flasche ließen wir – wie erwartet – stehen und freuten uns diebisch, dass unser Bett in nur fünf Minuten Entfernung auf uns wartete.
Meine Tipps für Silvester in St. Ives
- Parkplätze sind absolute Mangelware, generell in St. Ives und am Silvesterabend insbesondere. Wer sich nicht auf sein Glück allein verlassen möchte, sollte sich zeitig auf den Weg machen.
- Plant Ihr hingegen in St. Ives zu übernachten, bucht weit im Voraus. Stellt Euch auch darauf ein, dass Ihr möglicherweise für mindestens zwei Nächte buchen müsst. Und seid auf hohe Preise gefasst. Silvester ist Hochsaison in St. Ives, und alle Zimmer sind schnell ausgebucht. Wir haben für zwei Nächte im Queens Hotel (für ein Zimmer das okay war, aber auch nicht mehr) knapp 380£ bezahlt; wovon der Löwenanteil allerdings auf die Silvesternacht fiel. Dadurch, dass wir online und direkt auf der Homepage des Queens Hotel gebucht haben, wurde uns 10% Rabatt gewährt. Und noch ein Hinweis: Bei online-Buchungen bezieht sich häufig der zunächst angezeigte Preis auf Single-Belegungen. Mit Veränderung der Personenzahl kann sich der Preis erhöhen.
- Die interessante Zeit zum „Promenieren“ ist zwischen 20 – 22 Uhr. Die originellen und besten Kostüme sind dann auch schon unterwegs, – schließlich muss sich der Aufwand lohnen. Zu späterer Stunde ab zehn wird es sehr viel voller.
- Wenn Ihr essen gehen wollt, reserviert einen Tisch rechtzeitig. Am besten mehrere Tage vorher daran denken, ansonsten ergeht es Euch wie uns. Für Silvester (und auch sonst) kann ich das Firehouse empfehlen. Wer auf anspruchsvollere Küche steht und dennoch mitten im Geschehen sein möchte, der sollte bei Porthminster Kitchen oder dem Cellar Bistro einen Tisch reservieren. Anständige Burger werden im Hub serviert (noch besser sind die Burger bei Blas Burgerworks, das jedoch nur im Sommerhalbjahr geöffnet ist und auch nicht an der Promenierstrecke zu Silvester liegt). Neben diesen Möglichkeiten gibt es jedoch etliche andere Restaurants und Bars, die alle hervorragendes Essen anbieten. Die Küche im Queens Hotel ist am Silvester Abend leider geschlossen. Der Fokus wird auf´s Feiern gelegt, und so werden alle Tische und Stühle entfernt. 🙂
- St. Ives ist nicht London. Ihr braucht also nicht bereits am frühen Abend Plätze mit guter Aussicht auf das Feuerwerk sichern. Auch in den letzten zwanzig Minuten vor zwölf gibt es noch gute Chancen auf Lücken in erster Reihe am Hafenrand.
- Bedenkt, dass viele Besucher nicht in St. Ives bleiben und direkt nach dem Feuerwerk nach Hause fahren. Ihr solltet Euch also darauf einstellen, dass die Abfahrt sich zeitlich etwas in die Länge ziehen wird. Am einfachsten ist es, noch ein wenig rumzubutschern und ein weiteres Mal in einer Bar anzustoßen. Spätestens dann wird der große Andrang auf den Parkplätzen und Ausfallstraßen beendet sein.
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