Der Umstand, in unmittelbarer Nähe der Universität sein zu wollen, führte dazu, dass wir für 15 Monate nach Preston zogen. Zunächst zweifelten wir noch, ob es die richtige Entscheidung war, die uns – rein kopfgesteuert – dazu bewog, unsere neue Bleibe in der Mitte dieser Stadt zu wählen. Ich erinnere mich an das erste Mal, als wir nach Preston hinein fuhren und immer stiller wurden. Ich glaube, hätte man uns in dem Moment die Wahl gelassen, wir hätten einen Rückzug ernsthaft in Erwägung gezogen.
Wir fuhren durch ein Viertel, wo die Häuser in einem traurigen Zustand waren und der Müll lag noch da, wo der letzte Wind ihn hingeweht hat. Selbst die wenigen Blumen ließen ihre Köpfe hängen, angesichts des offensichtlichen Desinteresses der hier lebenden Anwohnern an ihrem Umfeld. Ein Stück weiter kamen wir ins Stadtinnere, wo architektonische Verungleisungen aus den 1960er Jahren dominieren und eine umgehende Weiterfahrt vorschlagen.
Vorangetrieben mit der möglichst praktikablen Lösung zum Ziel, wurden in dieser Zeit in England Bauten hochgezogen, die die Gestalt vieler Städte auf immer veränderte. Jedweder Anspruch auf Ästhetik blieb dabei auf der Strecke. Nicht mehr korrigierbar und für immer verloren hingegen, sind die vielen historischen Gebäude, die in dieser Zeit niedergewalzt wurden, um Platz für den Brutalismus zu machen. (Der Architekturstil aus dieser Zeit heißt tatsächlich so. Auch wenn die Namensgebung auf dem französischen Begriff „béton brut“ fußt, finde ich ihn mehr als passend!)
Dabei fing alles mal ganz anders an.
Preston vor gut 200 Jahren: übersichtlich und beschaulich
Wer sich heute Preston anschaut, mag kaum glauben, dass dies noch Anfang des 19. Jahrhunderts ein beschauliches Städtchen war. Den größten Teil in seiner Geschichte verbrachte Preston nämlich als kleine Stadt. Es gab nie eine Stadtmauer, bis zum 17. Jahrhundert nur eine Kirche und Preston bestand bis fast ins 19. Jahrhundert nur aus drei Hauptstraßen: Church Street, Fishergate and Friargate. Diese waren umgeben von Feldern, die den Ehrenbürgern der Stadt gehörten und gehören, deren Namen alle 20 Jahre während der berühmten Preston Guild erfasst werden – eine Tradition, die bis heute anhält (2012 fand die letzte Preston Guild statt).
Stolzes Preston
Geschätzt und gelobt von vielerseits, entwickelte sich Preston zu einem mondänen Ort der vornehmen Gesellschaft in der Grafschaft. Preston wurde bekannt für seine prachtvollen Häuser, eleganten Straßen, Gasthöfe und Poststationen sowie dem Avenham Walk, eine Promenade aus dem 17. Jahrhundert mit Blick auf den Fluss Ribble.
Daniel Defoe, der Autor von Robinson Crusoe, schrieb einst über Preston:
Es ist eine vornehme Stadt, jedoch anders als Liverpool oder Manchester. Es gibt in Preston keine Produktionsstätten; stattdessen leben hier Anwälte, Beamte und Notare. Die Menschen sind heiter und vergnügt. Auch wenn dies nicht zu Reichtum verhilft, zu Ruhm hingegen schon, die Wesensart der Anwohner brachte der Stadt den Namen „Stolzes Preston“ ein.
Prestons Schicksal nahm seinen Lauf
Plötzlich jedoch änderte sich Prestons Schicksal. Dank der vorhandenen, ausgezeichneten Infrastruktur, mit den besseren Mautstraßen und Brücken, dem Lancaster Kanal, zahlreichen Bahnlinien, dem Gaslicht – das Preston früher als andere Städte installiert hatte -, zog Preston junge Unternehmen an. Mit modernen, mit Wasserdampf betriebenen Baumwoll-Manufakturen, ließen sie Preston zum Modell einer Industriegesellschaft im 19. Jahrhunderts werden.
Die Einwohnerzahl verzehnfachte sich in Kürze
Der Landadel verließ fluchtartig seine großen Häuser, während eine neue Gesellschaftsklasse bestehend aus reichen Industriellen und Entrepreneurs die Stadt übernahmen. Winckley Square entstand und Preston wurde Mitte des 19. Jahrhundert um neue Vororte erweitert. Diese waren auch bitter nötig. Armut, Verschmutzung, Unruhen und soziale Abgrenzung wurden zu den zentralen Brennpunkten in Preston. Tausende Menschen strömten nach Preston und belagerten die alten Stadtteile in überfüllten Höfen und Gassen. In dieser Zeit wuchs Prestons Einwohnerzahl überproportional an. Aus 12.000 Einwohnern im Jahre 1800 wurden 70.000 in 1850 und erst ab 1900 begann die Zahl bei 120.000 Einwohnern langsam zu stagnieren. Unzureichende Wasserversorgung, fehlende Abwasserkanäle und Kindersterblichkeit blieben die größten Probleme in dieser Zeit.
Aber auch zukunftsweisende Perspektiven entwickelten sich
Es gab jedoch auch Lichtblicke in dieser Zeit. Preston fasste Fuß in der Förderung von Bildung und Wissenschaft, sorgte für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, machte signifikante Fortschritte im Kampf gegen dem Alkoholismus und feierte sportliche Erfolge.
Eine Sonntagsschule aus den 1830er Jahren war der Ursprung der Universität (University of Central Lancashire) in Preston, welche weitreichenden Einfluss auf die heutige Struktur der Stadt hat. Und der ortsansässige Fußballverein, einer der traditionsreichsten Vereine Englands, gewann 1889 die erste jemals ausgetragene Liga-Meisterschaft und ist vielen Fußballbegeisterten bekannt.
Proud Preston heute
In den letzten Jahren wurde viel Geld in die städtebauliche Entwicklung der Stadt gesteckt und die ersten Erfolge sind sichtbar. Die beiden Stadtparks Avenham und Miller Parks wurden weitreichend instand gesetzt und die Haupteinkaufsstraße Fishergate wurde neu gestaltet. Beide Projekte sind gelungene Beispiele für einen Weg, der so weitergehen möge.
Letzte Woche bin ich noch einmal nach Preston gefahren, um aktuelle Fotos zu machen. Und ich war total überrascht! Es scheint sich wirklich was zu tun. Die Guild Hall bekam einen moderneren Look, indem das Gebäude teilweise mit Holz ummantelt wurde. Wenn jetzt noch Designern was Gescheites zu der Treppengestaltung einfällt, wird das Gebäude längst nicht mehr so fehl am Platze wirken wie zuvor. Die alten Market Halls finden dank derzeitiger Sanierungsarbeiten zurück zu ihrem alten Glanz und auch beim Busbahnhof finden großräumige Renovierungen statt.
Dies ist eines der meist diskutierten Gebäude der letzten Jahre in Preston und / denn es ist ein Paradeobjekt des bereits erwähnten Brutalismus Baustils. Es ist in den 1960er Jahren entstanden, als Preston zur Super-City heranwachsen wollte und entsprechende Ausmaße beim Bau des neuen Busbahnhofs dafür zugrunde legte. Die ausschweifenden Erwartungen erfüllten sich nicht, dafür verfügt Preston über einen überdimensionalen Busbahnhof, dessen Schicksal bis vor kurzem nicht geregelt war. Inzwischen steht fest, der Bahnhof bleibt, er wurde unter Denkmalschutz gestellt und wird – wie erwähnt – derzeit renoviert.
Preston in Kürze:
- 45 km nordwestlich von Manchester, 43 km nordöstlich von Liverpool und 24 km nach Blackpool an der Küste zur Irischen See
- 130.000 Einwohner in Preston City (420.000 Einwohner im gesamten Einzugsgebiet)
- Hauptstadt der Grafschaft Lancashire
- University of Central Lancashire (UCLAN) hat 35.000 Studenten und ist sechst größte Universität Großbritanniens
- Hauptarbeitgeber in Preston (neben Landesverwaltung und den Krankenhäusern): BAE Military Air Solutions, Alstom, Booths, UCLAN
Hat dir der Artikel über Preston gefallen und möchtest du mehr erfahren? Zwei weitere Beiträge über Preston sind:
Preston – meine Lieblingsecken
Prestons grüne Oasen – Avenham und Miller Parks (schöne Beispiele für Viktorianische Parks mit Hintergrundwissen über Park-Movements und ihre Entstehung)
Pingback: Prestons grüne Oase – Avenham und Miller Parks – EnglandTrotter